Update: Wir als Schulgemeinschaft freuen uns über die positive Entwicklung, dass Familie Jacobi nicht nach Kroatien abgeschoben wird!
→ Am 25. November konnte man folgenden Artikel lesen:
Familie aus Afghanistan darf bleiben
Ein vorerst gutes Ende hat die Geschichte der Jacobis aus Calw gefunden. Die sechsköpfige Familie der Ortskraft Hasrat Jacobi, die aus Afghanistan nach Deutschland floh, sollte abgeschoben werden – dagegen protestierten zahlreiche Menschen.
Diese Abschiebung ist nun durch den tatkräftigen Einsatz der Bevölkerung verhindert worden. Ernst Dietzfelbinger, Fachanwalt für Migrationsrecht aus Calw, ist „über-, über-, überglücklich“ über die neuesten Entwicklungen. Während es am Donnerstagvormittag noch hieß, die Familie Jacobi erhalte vorerst eine Duldung, trudelten am Nachmittag noch bessere Nachrichten ein: Die Bundesrepublik macht von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch. Das bedeutet, dass das gesamte Verfahren noch einmal auf nationaler Ebene geprüft werde, erklärt der Anwalt. Die Abschiebung nach Kroatien, die wie ein Damoklesschwert über der Familie Jacobi schwebte, ist damit endgültig vom Tisch. „Mehr geht nicht“, freut er sich. Im schlechtesten Fall könnte das jetzige Prüfverfahren damit enden, dass die Familie eine Duldung bekommt. Das heißt, sie müssten theoretisch zurück nach Afghanistan, doch die Abschiebung wird ausgesetzt. Im besten Fall würden sie als Flüchtlinge anerkannt werden – mit all den damit einhergehenden Rechten. Die zweitbeste Option wäre ein subsidiärer Schutz, der einen Aufenthalt von mindestens einem Jahr in Deutschland erlaubt. Der Anwalt der afghanischen Familie ist sich jedenfalls sicher, dass ein brauchbares Ergebnis herauskomme.
Aus juristischer Sicht sei das „top“, betont Dietzfelbinger. Der sozialgemeinschaftliche Druck – unter anderem durch die Solidaritätsaktion in Alzenberg, habe erreicht, dass das Selbsteintrittsrecht in Kraft tritt. Das sei bei einem laufenden Verfahren in der Regel eher selten der Fall. Politiker, Bürger und auch der Fußballverein des zwölfjährigen Sohnes, der FC Alzenberg-Wimberg protestierten gegen die geplante Abschiebung. Der Verein startete eine Solidaritätsaktion. Auch die SPD-Vorsitzende und Abgeordnete für den Landkreis Calw, Saskia Esken, engagierte sich für die Familie: „Ich freue mich sehr für und mit Familie Jacobi. Die Aufmerksamkeit und Solidarität, die die Zivilgesellschaft im Landkreis Calw und darüber hinaus erzeugt hat, beeindruckt mich sehr. Hier haben sich Menschen für ihre Mitmenschen eingesetzt und ganz wesentlich zur aktuellen positiven Entwicklung beigetragen“, lässt sie mitteilen. Vater Hasrat arbeitete in Afghanistan für das deutsche Militär als Dolmetscher. Allerdings endete seine Arbeit vor dem 1. Januar 2013. Nur wer danach noch für die deutschen Truppen in Afghanistan tätig war, wurde als Ortskraft anerkannt.
Dietzfelbinger blickt im Gespräch mit unserer Redaktion auf den „wahnsinnig komplizierten“ Fall Jacobi zurück. Die Familie hatte, nachdem sie drei Jahre auf der Flucht war, in Deutschland beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Asyl beantragt. Doch weil die Familie bereits in Kroatien registriert war, drohte die Abschiebung. Laut des sogenannten Dublin-Verfahrens zeichnet das erste Land für die Flüchtlinge verantwortlich, in denen sie Asyl beantragt haben. Und das wäre im Fall Jacobi Kroatien, wohin sie abgeschoben werden sollten. Dort erlebte die Familie an der kroatischen Grenze bereits viel Gewalt durch die – illegalen – „Pushbacks“, das Zurückdrängen von Migranten. Gegen diesen Bescheid wiederum hat Dietzfelbinger beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht, ebenso wie einen Eilantrag gegen die drohende Abschiebung. Letzterer wurde jedoch abgelehnt. Eine Abschiebung wäre damit jederzeit möglich gewesen, erklärt er. Nachdem sich aber so viele Ehrenamtliche, Bekannte, Freunde und die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken für die Familie eingesetzt hatten, war bereits die Nachricht der Duldung eine „gewisse Entspannung“.
(Artikel von Bianca Rousek und Wiebke Jansen im Schwarzwälder Boten vom 25.11.2022)
Breite Solidarität mit der Familie Jacobi
„Die bleiben hier – wie auch immer!“ Es ist ein großes Versprechen, das Asyl-Anwalt Ernst Dietzfelbinger der in Calw lebenden Familie von Hasrat Jacobi gab. Eine Solidaritäts-Aktion des FC Alzenberg-Wimberg zeigte die große Unterstützung auch aus der Bevölkerung.
Zwei Mädchen der Familie Jacobi besuchen die Wimbergschule – Ihre Mitschüler gestalteten eine Kinderkette, die bei der Kundgebung am Spielfeldrand aufgehängt war
Ehrengast der Veranstaltung auf dem Fußballplatz in Alzenberg: SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken – deren Zug zwar ordentlich Verspätung hatte, so dass SPD-Kreisvorsitzender Andreas Reichstein noch ihr vorbereitetes Grußwort verlesen durfte. Aber am meisten berührte die wohl mehr als 200 Unterstützer vor Ort sicher die Kicker der D-Jugend des FCs, die einen Solidaritätsbrief für ihren Kumpel und Mannschaftskameraden, den zwölfjährigen Sohn Bilal der Familie Jacobi, verfasst hatten und hier vor großem Publikum verlasen.
„Das wird Eindruck machen“, war sich auch Tino Bayer vom Arbeitskreis Asyl sicher. Bayer ist Pate für die Familie Jacobi und hatte auch seinerzeit dafür gesorgt, dass nach einer von einem TV-Team begleiteten Odyssee der ursprünglich aus Afghanistan stammenden Familie diese im Kreis Calw, genauer in der Asylunterkunft in Calw-Wimberg, Aufnahme fand. Die Geschichte der insgesamt sechsköpfigen Familie Jacobi ist von Dramatik gezeichnet: Drei Jahre dauerte die Flucht über den Iran, Griechenland, Türkei und die Balkan-Route. Vor allem an der Grenze zu Kroatien erlebten sie dabei viel Gewalt durch die sogenannten – illegalen – Pushbacks.
„Die haben uns dort geschlagen“, auch seine Frau – erzählt Hasrat Jacobi im Gespräch mit Saskia Esken. „Uns die Handys weggenommen.“ Eigentlich hätte die Familie sowieso ein Bleiberecht in Deutschland: Hasrat Jacobi hat schon früher in Deutschland gearbeitet, hier Deutsch gelernt. Als der Krieg in seinem Heimatland Afghanistan eskaliert, ging er dorthin zurück, um seine Frau und Kinder zu unterstützen – und dort für die deutschen Ortskräfte zu arbeiten. Allerdings geschah das alles vor dem 1. Januar 2013 – dieses Datum gilt als Stichtag für deutsche Behörden: Nur wer danach für die deutschen Truppen in Afghanistan gearbeitet hat, wird als Ortskraft auch anerkannt. Hasrats Jacobis Anstellung als Dolmetscher in der Bundeswehr-Küche des Isaf-Camps in Kabul lag tragischer Weise vor diesem Datum.
Für Tobias Pflüger, ehemaliger Bundestagsabgeordneter für die Partei Die Linke und deren verteidigungspolitischer Sprecher, ist genau diese Stichtagsregelung „völliger Unsinn“. Das Aufenthaltsrecht „muss für alle Ortskräfte“ der Bundeswehr gelten. Auch die sogenannte Dublin-Regelung, die bestimmt, dass Asylbewerber in das Land abgeschoben werden müssen, wo sie das erste Mal Asyl beansprucht haben – im Fall der Familie Jacobi wäre das Kroatien, wohin sie aktuell auch abgeschoben werden sollen – „muss dringend weg“, so Pflücker. „Diese Reglung ist unmenschlich!“ Pflüger hatte seinerzeit der Fall Jacobi regelmäßig der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vorgelegt und auch den Bericht über das Schicksal der Familie bei Spiegel-TV angeregt.
Für Tobias Pflüger, ehemaliger Bundestagsabgeordneter für die Partei Die Linke und deren verteidigungspolitischer Sprecher, ist genau diese Stichtagsregelung „völliger Unsinn“. Das Aufenthaltsrecht „muss für alle Ortskräfte“ der Bundeswehr gelten. Auch die sogenannte Dublin-Regelung, die bestimmt, dass Asylbewerber in das Land abgeschoben werden müssen, wo sie das erste Mal Asyl beansprucht haben – im Fall der Familie Jacobi wäre das Kroatien, wohin sie aktuell auch abgeschoben werden sollen – „muss dringend weg“, so Pflücker. „Diese Reglung ist unmenschlich!“ Pflüger hatte seinerzeit der Fall Jacobi regelmäßig der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vorgelegt und auch den Bericht über das Schicksal der Familie bei Spiegel-TV angeregt.
Auch für Saskia Esken ist eindeutig klar: Die Familie Jacobi sei längst „Teil der Gemeinschaft“ hier, und sie dankte auch „im Namen der Politik“ Hasrat Jacobi für dessen Einsatz für die Bundeswehr in Afghanistan. Zwar müsse man im Moment noch die Bearbeitung des Einspruchsverfahrens abwarten, aber sie sei „vorsichtig optimistisch“, dass „sich alles zum Guten wenden“ werde. Seit 2021 seien bereits insgesamt mehr als 26 000 Ortskräfte aus Afghanistan nach Deutschland geholt worden, jeden Monat kämen tausend weitere hinzu. Diese Zahlen verdeutlichten, dass es eine große Bereitschaft gebe, der Verantwortung Deutschlands für seine Ortskräfte gerecht zu werden. Das werde sich auch im Fall der Familie Jacobi beweisen.
Schließlich griff Hasrat Jacobi selbst während der Solidaritäts-Veranstaltung auf dem Fußballplatz des FC Alzenberg-Wimberg zum Mikrofon, dankte für die bereite Unterstützung: „Bitte lasst uns leben hier“, so seine Worte. „Wir brauchen diese Hilfe von euch!“
(Artikel von Axel H. Kunert im Schwarzwälder Boten vom 31.10.2022)