Kinder freuen sich wieder über tierische Zuhörer: Lesehunde in der Grundschule

Auch im neuen Schuljahr der Grundschule Wimberg  begleiten uns die „Lesehunde“ der Familie Baumann und Körper. Die Lesezeit mit den ausgebildeten Therapiehunden liebt jedes Kind. Bei diesen geduldigen Zuhörern fällt es ganz leicht, Lesen zu üben. Die Kinder genießen es sehr, in ungezwungener, gemütlicher Atmosphäre laut vorzulesen. In Gegenwart von Lehrern oder Mitschüler bauen Kinder bei mangelnden Lesefähigkeiten oft Hemmungen auf, da sie wissen, dass der Zuhörer ihre Leseleistung wertet. Bei den Lesehunden ist das von vornherein ausgeschlossen. So ist die Motivation enorm hoch, laut vorzulesen, was im Leselernprozess eine Bedingung ist, um gutes Leseverständnis aufzubauen. Aber auch gute Leser sind ganz versessen auf die Lesezeit mit den Hunden. Marleen Baumann und Alois Körper bestätigen am Ende jeder Lesezeit in einem extra Heftchen des Kindes seine Leseleistung mit einem Stempel und kleinem Kommentar. Da haben die Kinder zudem noch ihren Fleiß „schwarz auf weiß“ bestätigt. Na, wenn das nicht Lust auf mehr macht!

Lesehunde: keiner urteilt, keiner lacht

Genüsslich rekelt sich die Golden Retriever-Hündin Jule auf dem Boden in der Wimbergschule und lässt sich von einem Mädchen den Kopf kraulen. Kaum zu glauben, dass das Tier gerade arbeitet. Aber so ist es: Sie kommt einmal die Woche als Lesehund in die Schule.

Jeden Mittwochmorgen ist die Freude bei den Schülern groß. Denn sie wissen genau, dass es dann nicht mehr lange dauert, bis ihre tierischen Freunde in die Schulbücherei kommen. In Zweiergruppen dürfen die Kinder für je zehn bis 15 Minuten zu ihnen. Aber nicht nur um mit den Hunden zu spielen – sie lesen ihnen vor.

Die Golden Retriever Leika, Jule und Tibo sind tiefenentspannt. Tibo begrüßt jeden, der durch die Tür kommt mit wedelndem Schwanz, die beiden Hündinnen liegen auf dem Boden. Warum sollten sie auch aufgeregt sein? Die Tiere wissen schließlich genau, was auf sie zukommt. Immerhin sind sie bereits seit neun Jahren als Therapiehunde im Einsatz. „In die Wimbergschule kommen wir jetzt schon das vierte Schuljahr“, erzählt Marleen Baumann, die Besitzerin der beiden Hündinnen. Mit elf und 13 Jahren sind sie in einem stattlichen Alter.

Da kommen ihnen die Streicheleinheiten der Schüler gerade recht. „Die Hunde freuen sich immer schon, wenn sie merken, dass wir in die Schule kommen“, sagt Baumann. „Leika macht regelrechte Bocksprünge – trotz ihres Alters.“ Und auch für den zwölfjährigen Tibo, den Hund von Arnold Körper, ist der Besuch in der Schule ein freudiges Ereignis. Alle drei Hunde sind ausgebildete Therapiehunde und haben einen Wesenstest bestanden. Das ist wichtig, damit die Besitzer sich in jeder erdenklichen Situation auf die Tiere verlassen können. Bei der Prüfung müssen sich die Tiere beispielsweise 20 Sekunden lang eng umarmen lassen oder in einer Menschenmenge die Nerven behalten. „Die Hunde dürfen sich immer zurückziehen, aber niemals angreifen“, erklärt Baumann.

Für die drei Hunde-Senioren, die es sich auf dem Fußboden gemütlich gemacht haben, kein Problem. Dennoch dürfe man nicht vergessen, dass es – zumindest in den ersten Jahren – Arbeit für die Hunde war, die auch in Altenheimen und anderen Einrichtungen unterwegs waren. „Mittlerweile ist es aber mehr Spaß“, lacht Baumann.

Inzwischen hallen die Stimmen von zwei Grundschülern durch den Raum. Amélie und Aaron haben sich jeweils ein Buch geschnappt und lesen nun laut daraus vor. Was das bringen soll? „Viele Kinder haben Hemmungen, in der Klasse etwas vorzulesen“, sagt Baumann. „Den Hunden ist es egal, wenn man mal stockt oder Fehler macht.“ Sie urteilen oder lachen nicht. Zudem sei in den USA nachgewiesen worden, dass die Anwesenheit eines Hundes den Cortisol-Spiegel senkt und damit Stress abbaut.

Daher sind die Lesehunde besonders für Kinder mit Migrationshintergrund, schüchterne Kinder oder solche mit einer Leseschwäche ein wertvoller Helfer. „Aber mittlerweile wollen alle Kinder mal drankommen, daher haben wir auch sehr gute Leser dabei“, lächelt Körper.

So auch Amélie und Aaron, die kaum mehr zu bremsen sind. Eine um die andere Seite blättern sie um. Wenn sie denn eine Hand freihaben, denn vor allem die Hündinnen wollen gestreichelt werden. Die neunjährige Schülerin lässt sich dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen.

Sie ist es schließlich von zu Hause gewohnt, einen Hund um sich zu haben. „Manche haben aber auch Angst vor den Hunden am Anfang“, weiß Baumann, die auch als Trainerin im Deutschen Retriever Club aktiv ist. „Aber die Hunde haben ein gutes Gespür dafür, an welche Kinder sie nah rankkommen können und an welche nicht.“ Und nach ein paar Zusammentreffen sei es obendrein noch förderlich für das Selbstbewusstsein der Schüler, wenn sie mit den Tieren umzugehen lernen.

Die Rückmeldungen der Kinder, Eltern und Lehrer jedenfalls bestärkt die beiden Hundebesitzer in ihrer Tätigkeit. „Die Kinder freuen sich total“, sagt Kathleen Klein, Klassenlehrerin der Drittklässler, die an diesem Mittwoch an der Reihe sind. „Wir beobachten auch wirklich Fortschritte.“ Das laute Vorlesen komme zu Hause und in der Klasse oft zu kurz. Und in der ruhigen Atmosphäre der Bücherei mit den Hunden mache es auch mehr Spaß, ist sich die Lehrerin sicher. „Es entschleunigt“, meint auch Hundebesitzer Körper. „Für die Kinder ist es wie Pause.“

Und die können bekanntlich gar nicht lang genug sein. So müssen die Hundebesitzer Amélie und Aaron beinahe zwingen, ihre Bücher beiseite zu legen, damit die nächste Zweiergruppe kommen kann. Die Hunde, so scheint es, freuen sich schon auf die nächste Geschichte.

(Artikel von Bianka Rousek im „Schwarzwälder Bote“ vom 20.04.2018)

Über den Zeitungsartikel wurde das SWR-Fernsehen auf dieses spezielle Lernkonzept unserer Schule aufmerksam und brachte darüber einen Beitrag:

Das Fernsehen zu Gast in der Wimbergschule

Dieser Beitrag wurde unter Besonderes veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.